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AUFWACHSEN IM DIGITALEM ZEITALTER

Ein Junge im Zelt mit einem Tablet – Symbol für den modernen Umgang von Kindern mit Technologie
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Der Einfluss digitaler Medien auf unser Leben ist ein viel diskutiertes Thema, insbesondere wenn es darum geht, wie Kinder mit Technologie umgehen. Dass dieses Thema so allgegenwärtig ist, hat zwei Gründe: Die Forschung dazu ist noch längst nicht abgeschlossen (und wird es wahrscheinlich nie sein), und die Thematik ist von Natur aus äußerst vielschichtig.

Die Technologie, mit der Kinder im digitalen Zeitalter aufwachsen, hat starken Einfluss darauf, wie diese Kinder im Alltag mit anderen Menschen umgehen – sowohl online als auch in der realen Welt. Es erfordert einiges an Anstrengung, sich über den aktuellen Stand der Forschung auf dem Laufenden zu halten und Kinder über die Vor- und Nachteile von Technologie aufzuklären. Doch mit der richtigen Anleitung von WissenschaftlerInnen, die sich mit Medien und kindlicher Entwicklung beschäftigen, kann man diese Aufgabe durchaus bewältigen.

In diesem Artikel präsentieren wir die Arbeit von ExpertInnen, die Kinder, digitale Räume und deren Wechselwirkungen untersuchen. Wir beginnen mit den eher negativen Aspekten, doch lassen Sie sich davon nicht entmutigen – die zweite Hälfte des Artikels konzentriert sich auf konkrete Ratschläge für den Aufbau einer gesünderen Medienlandschaft für Kinder.

Was Studien zeigen

Wie wir auf digitale Welten reagieren, ist ein zweischneidiges Schwert, denn sie bieten Vorteile und bergen gleichzeitig Risiken. In einem anderen Artikel in der TerraYou-Bibliothek beleuchten wir einige der zahlreichen positiven Aspekte von Videospielen. Um einen ganzheitlicheren Ansatz zu verfolgen, werfen wir hier einen Blick auf die andere Seite der Medaille.

Folgendes zeigen aktuelle Forschungsergebnisse über die Auswirkungen, die übermäßige Zeit vor dem Bildschirm auf Kinder hat:

Weniger Kreativität

Es mag überraschend klingen, aber Langeweile spielt eine wichtige Rolle in der kindlichen Entwicklung. Die Untersuchungen von Dr. Debra Bradley Ruder zeigen, dass Kindern diese wichtige Erfahrung fehlt, wenn sie zu viel Zeit am Handy, Tablet, Computer oder vorm Fernseher verbringen. Langeweile ist in vielerlei Hinsicht ein Geschenk, das dem Gehirn die nötige Ruhe gibt und Raum für Kreativität schafft. In Momenten der Eintönigkeit entwickeln Kinder oft neue Ideen, indem sie mit dem arbeiten, was sie in ihrer Umgebung vorfinden.

Gedächtnisprobleme

Das von Bildschirmen ausgestrahlte blaue Licht hemmt die Produktion von Melatonin, einem Hormon, das für Schlaf notwendig ist. Ruder weist darauf hin, dass der Schlaf beim Lernen, wie z. B. bei Schulkindern, eine besonders wichtige Rolle spielt, da er mit der Gedächtnisleistung verbunden ist. Es reicht nicht aus, einfach nur im Unterricht aufzupassen. Ohne den nächtlichen REM-Schlaf - die tiefste Form des Schlafs - ist das Gehirn nicht in der Lage, sich das Gelernte zu merken. Bildlich gesprochen: Ohne REM-Schlaf können neue Daten nicht auf der Festplatte des Gehirns gespeichert werden. Deshalb sollte man Bildschirme aller Art vor dem Schlafengehen ausschalten.

Zwanghaftes Verhalten

Eine Studie der Universität von Kalifornien in San Francisco fand heraus, dass exzessives Gaming und Anschauen von Videos Symptome einer Zwangsstörung (OCD) auslösen kann. Algorithmen sozialer Medien verschärfen das Problem, indem sie ständig Inhalte anbieten, die das Interesse der Kinder aufrechterhalten.

Depression und Angst

Eine andere Studie derselben Universität zeigte, dass zu viel Zeit vor dem Bildschirm mit Symptomen wie Depression, Angst und Aggression einhergeht. Die Forscher erklärten: „Die Auswirkungen waren gering, aber konsistent. Die Bildschirmzeit stand in engem Zusammenhang mit depressiven Symptomen und in geringerem Maße mit Verhaltensauffälligkeiten, somatischen und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssymptomen“.

Zwei Kinder, die den Unterschied zwischen Aktivitäten im Freien und Mediennutzung veranschaulichen

Was wir tun können

Man sollte Kindern die Nutzung digitaler Medien nicht verbieten, sondern vielmehr zeitlich einschränken. Wird die Zeit vor dem Bildschirm reduziert, hat dies deutliche positive Auswirkungen. Ein wichtiger Schritt kann zum Beispiel sein, dass man genaue Zeitfenster für digitale Aktivitäten festlegt und sicherzustellen, dass vor dem Zubettgehen der Bildschirm ausgeschaltet wird. Zudem können Erwachsene Kinder durch die digitale Welt begleiten, etwa durch gemeinsame Online-Spiele.

Ein weiterer entscheidender Schritt besteht darin, Alternativen zu digitalen Aktivitäten anzubieten. Kinder nutzen Bildschirme oft unbewusst als Ersatz für Aktivitäten in der echten Welt – Aktivitäten, die auf natürliche Weise Depression und Angst abbauen und das geistige Wohlbefinden steigern können. Erwachsene können Kindern dabei helfen, unter Leute zu kommen, Sport zu treiben, praktischen Hobbys zu frönen und  ausreichenden, erholsamen Schlaf zu bekommen.

Der Kinderarzt Dr. Michael Rich hat sich intensiv mit gesunden Beziehungen zwischen Kindern und Medien auseinandergesetzt. In seinem Buch „The Mediatrician's Guide“ gibt er folgende Tipps:

  • Vorsicht vor Ablenkung durch digitale Medien. Die Hälfte aller Kinder und drei Viertel der Eltern haben das Gefühl, dass der jeweils andere abgelenkt ist, wenn sie miteinander sprechen.

  • Setzen Sie sich regelmäßig mit Ihren Kindern zusammen und schalten Sie beim gemeinsamen Essen alle Unterhaltungsgeräte aus.

  • Vermeiden Sie vor dem Schlafengehen die Nutzung von Bildschirmen, die blaues Licht ausstrahlen.

  • Spielen Sie Online-Spiele gemeinsam mit Ihren Kindern, anstatt sie ihnen zu verbieten. Lernen Sie von ihnen, wie man spielt, und helfen Sie ihnen beim Spielen, darüber nachzudenken, was sie auf dem Bildschirm sehen und tun.

  • Helfen Sie Ihren Kindern, ihre Zeit zu planen, und konzentrieren Sie sich dabei auf Dinge, die sie gerne tun, um zu vermeiden, dass sie in die Bildschirmwelt abgleiten.

Ein Mädchen am Schreibtisch mit Laptop – ein Symbol für digitale Medien im Kinderalltag

Aufwachsen mit gesunder Mediennutzung

Es ist möglich, Kindern zu einer gesunden Mediennutzung zu verhelfen. Weniger Bildschirmzeit und ein bewusster Umgang mit Technologie können dabei helfen, wertvolle Verbindungen zu anderen aufzubauen, sich kulturell einzubringen oder Neues zu lernen. Kinder brauchen im Laufe ihres Heranwachsens vielfältige Erfahrungen, ganz gleich, ob ihnen körperliche Betätigung, kretives Gestalten, kritisches Auseinandersetzen oder anderes am meisten Spaß macht. Innerhalb der richtigen Grenzen können digitale Welten dabei eine bereichernde Rolle spielen.

Es werden ständig neue Studien über die Auswirkungen digitaler Medien auf Kinder veröffentlicht, die immer tiefere Einblicke liefern, wie man Kinder in ihrer Entwicklung unterstützen kann. In der Zwischenzeit können Sie Ihren Kindern helfen, indem Sie sich bewusst machen, welchen Einfluss Technologie auf sie nehmen kann und Ihre Aufmerksamkeit darauf verwenden, ihnen einen gesunden Zugang zu Medien zu ermöglichen. Nützliche Hilfsangebote finden Sie unter anderem auf der Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

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