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WIE SIE IHR HOCHSTAPLER-SYNDROM EFFEKTIV BESIEGEN KÖNNEN

Eine Frau starrt selbstbewusst Ihr Spiegelbild an, als Zeichen dafür, dass sie ihr Hochstapler-Syndrom überwunden hat
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Mein Start ins Berufsleben war womöglich genauso aufregend wie jeder andere. Jung, übermütig und mit mangelndem Selbstvertrauen fiel mir ein riesiger Stein vom Herzen, als ich erfuhr, dass ich das Vorstellungsgespräch bestanden hatte – bis mir gesagt wurde, wie viel ich verdienen würde. Ein Wunder, dass ich bei der mickrigen Summe nicht vom Stuhl gefallen bin. Weil ich aber an meinen beruflichen Qualifikationen zweifelte, trotz all der Jahre in denen ich verschiedene praktische Erfahrungen gesammelt und intensiv studiert hatte, um meinen Hochschulabschluss zu machen, akzeptierte ich das Angebot ohne weitere Gegenvorschläge.

Jetzt kommt’s: Sechs Monate später unterhielt ich mich mit einem Kollegen der, im Vergleich zu mir, weniger qualifiziert war und die Arbeit mit weniger Leidenschaft anging – und erfuhr dabei, dass er deutlich mehr verdiente als ich. Entsetzt fragte ich ihn, was er denn getan hätte, um so königlich behandelt zu werden.

Seine Antwort? Er hatte einfach darum gebeten.

Tja, das ist wohl der Preis, den man für das Hochstapler-Syndrom zahlt – diesen nagenden Selbstzweifel, den viele leistungsstarke Menschen trotz all ihrer Erfolge verspüren. Man fängt an, sich selbst kleinzureden und die eigenen Fähigkeiten infrage zu stellen.

Vielleicht haben Sie schon einmal was ähnliches erlebt, vielleicht hatten Sie einen „Aha!“- Moment, in dem Ihnen bewusst wurde, wie sehr Sie Ihrem zukünftigen Ich Unrecht taten, oder vielleicht setzen Sie sich damit noch auseinander. Die gute Nachricht: dem Hochstapler-Syndrom den Kampf ansagen heißt nicht, dass wir uns selbst aus den Augen verlieren. Vielmehr verstehen wir dadurch unsere Stärken besser und können in schwierigen Momenten schneller auf sie zurückgreifen. Persönliches Wachstum fängt an, sobald wir uns entscheiden, hinter uns selbst zu stehen.

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Was ist Hochstapler-Syndrom?

Hochstapler-Syndrom, auch Impostor-Phänomen genannt, ist die nörgelnde Stimme im Hinterkopf, die einem stets weismacht, dass man nicht gut genug ist, die eigenen Erfolge nicht wirklich verdient hat und früher oder später „auffliegen“ wird. Kommt Ihnen das bekannt vor? Dann sind Sie nicht allein! Studien zufolge werden bis zu 70% aller Menschen mindestens einmal in ihrem Leben dieses Phänomen empfinden. Auch manche der erfolgreichsten Experten in ihren jeweiligen Fachgebieten gehören dazu. Die US-Schauspielerin Kate Winslet gestand einst: „Manchmal wache ich am Morgen vor einem Drehtag auf und denke, ich kann das nicht, ich bin eine Betrügerin.“ – und sie hat schließlich schon einen Oscar gewonnen.

Eine junge Frau sitzt alleine und traurig abseits von einer engagierten Gruppe von Menschen
Selbst wenn man von anderen umgeben ist, kann einem das Hochstapler-Syndrom das Gefühl geben, nicht dazuzugehören.

Seine Wurzeln hat das Impostor-Syndrom in der Psychologie, und ist stark mit Perfektionismus, Selbstzweifel und Versagensangst verbunden. Ohne die richtige Behandlung kann es einem mit der Zeit die Lebenskraft rauben, das Selbstbewusstsein hemmen und sogar die eigene Berufsentwicklung verzögern. Der Einfluss auf die geistige Gesundheit darf auch nicht unterschätzt werden, da es sich schnell zu einer Last entwickeln kann, die einen vom Aufblühen abhält.

Doch es gibt einen Lichtblick: Sie benötigen keine speziellen Kurse und müssen sich auch keine neuen Fähigkeiten aneignen, um dieses Phänomen zu überwinden – denn Sie haben schon alles, was Sie brauchen!

Verschiedene Kompetenzen helfen uns bei verschiedenen Sachen: logisches Denken hilft uns dabei, Fakten zu überprüfen, Kommunikationsvermögen unterstützt uns nach dem zu fragen, was uns zusteht, und Widerstandsfähigkeit ermöglicht uns auch in Zeiten des Zweifels, Fortschritte zu machen. Wenn wir auf unsere alltäglichen Stärken zurückgreifen, geben wir dem Hochstapler-Syndrom weniger Macht und können es sogar als Hinweis darauf deuten, dass wir uns weiterentwickeln.

Zeichnen Sie Ihre Leistungen auf: Dokumentation

Eine einfache Art, das Hochstapler-Syndrom zu bekämpfen ist, die eigenen Erfolge zu dokumentieren. Eine Liste mit dem Titel „Sachen, die Ich geschafft habe“ zu erstellen, hört sich zwar viel zu einfach an, um effektiv zu sein, hat aber den Vorteil, dass es dem Gehirn schwarz auf weiß zeigt, was schon erreicht wurde. Egal, ob bei der Arbeit oder im Privatleben, jeder Schritt vorwärts ist ein konkreter Beweis für das eigene Können und Schaffen.

Sind Ihre Leistungen erst einmal aufgeschrieben, behalten Sie sie leichter in Erinnerung und verhindern somit, dass Ihre Gedanken Ihre Erfolge mindern. Greifen Sie auf diese Liste zurück, sobald Selbstzweifel auftauchen, und erinnern Sie sich daran, wie fähig und kompetent Sie wirklich sind.

Ziehen Sie keine Vergleiche zu anderen: Leistungs–Tracking

Ersetzen Sie Denkweisen wie „Alle sind mir voraus“ mit „Im Vergleich zum Vorjahr bin ich schon weiter”. Mit Leistungs-Tracking, also indem wir unsere Entwicklung verfolgen, schauen wir nach innen statt nach außen. Anfangs mag sich das ungewohnt anfühlen, denn unsere Gesellschaft zeigt uns ständig, wie wir uns angeblich zu verhalten haben – genau darin liegt jedoch die Kraft. Statt uns in endlosen Vergleichen zu verlieren, richten wir den Blick bewusst nach innen und erkennen unsere eigenen Leistungen an.

Eine Frau dreht sich auf Ihrer Wanderung um und sieht, wie weit sie schon gekommen ist, als Symbol für Fortschritt
Der Blick zurück kann einen daran erinnern, wie weit man bereits gekommen ist – auch wenn Zweifel versuchen, einem das Gegenteil einzureden

Notieren Sie sich Ihre Erfolge in Echtzeit und mit Ihren eigenen Maßstäben. Egal ob mit einer Tabelle, einem Tagebuch, oder im Digitalformat, setzen Sie einfach klare Ziele und verfolgen Sie Ihre Entwicklung – jeder noch so kleine Schritt zählt. Den eigenen Fortschritt zeitnah nachzuvollziehen, ist eine der schnellsten Methoden, um das Impostor-Syndrom zum Schweigen zu bringen.

Teilen Sie Ihr Wissen: Kommunikation

Eine der wirkungsvollsten Methoden, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken, besteht darin, das eigene Wissen mit anderen zu teilen. Sei es durch Unterrichten, Mentoring oder das simple Erklären einer Sache – auf diese Weise wird sowohl Ihnen als auch Ihrem Gegenüber deutlich, über welches Maß an Expertise Sie bereits verfügen.

Die Forschung belegt, dass dieser „Protegé-Effekt“, bei dem man jemandem etwas beibringt, nicht nur dem anderen Menschen zugutekommt, sondern auch sich selbst. Indem wir Ideen besprechen oder aufschreiben, zwingen wir unser Gehirn dazu, unsere Gedanken zu organisieren, Wissenslücken zu erkennen, und Details zu verinnerlichen. Dadurch wird die Information greifbar und existiert nicht nur in unseren Köpfen.

Mit der Zeit vereinfacht diese Gewohnheit den Lernprozess und dient immer wieder aufs Neue als Beweis dafür, dass Ihre Fähigkeiten Nutzen und Wert haben. Je mehr Sie anderen Ihr Wissen vermitteln, desto stärker wächst Ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten – und desto leiser wird die innere Stimme, die Ihnen ständig Zweifel einflüstert.

Interpretieren Sie Selbstkritik anders: logisches Denken

Geben Sie negativen Selbstgesprächen keine Macht und werden Sie selbst zu Ihrem größten Fan. Wir alle kennen Gedanken wie „Ich bin nicht qualifiziert“ oder „Ich schaffe das nicht“. Solche Überzeugungen nützen jedoch niemandem: Sie bremsen uns aus und spiegeln nicht einmal unsere tatsächlichen Fähigkeiten wider.

Am besten geht man solche Gedanken mit Logik an. Sobald so einer auftaucht, sollten Sie sich fragen, was die eigentliche Aussage hinter der Selbstbeschuldigung ist. Wenn Ihnen zum Beispiel kurz vor einer großen Präsentation oder bei einem herausfordernden Projekt „Ich schaffe das nicht“ in den Sinn kommt, halten Sie kurz inne, um zu reflektieren.

Rufen Sie all die Male in Erinnerung, in denen Sie ähnliches machen mussten, egal ob alles damals perfekt gelaufen ist, oder nicht. Das Einzige, was zählt, ist dass Sie sich an all die Erfahrungen und Expertise erinnern, die Sie sich hart erarbeitet haben. Denken Sie an Ihre Fähigkeiten, Ihre Erfolge, und an alle Fakten, die konkret beweisen, dass Sie genau an Ihren gegenwärtigen Platz gehören.

Wenn Sie diese Visualisierung regelmäßiges Üben, lernt das Gehirn, sich auf die objektive Realität zu konzentrieren und Hochstapler-Gefühle besser zu meistern.

Eine Frau spricht in ein Mikrofon, nachdenklich reflektierend – ein Symbol fürs Zurückgewinnen der eigenen Stimme.
Das Mikrofon zu ergreifen bedeutet, zu entscheiden, welche Gedanken man verstärken und welche man leiser stellen möchte.

Vermeiden Sie Überforderung: Projektmanagement

Überforderung entsteht meistens, wenn wir versuchen, mehrere Dinge gleichzeitig zu bewältigen. Dabei wird der Prozess viel einfacher, sobald wir ihn in kleinere Schritte aufteilen. Am besten ordnen Sie Ihre Aufgaben in verschiedene Kategorien ein und gehen sie systematisch und nacheinander an. Einfache Systeme wie beispielsweise Kalender oder Listen helfen Ihnen dabei, den Überblick zu behalten. Dadurch ist stets alles unter Kontrolle und Sie können Ruhe bewahren.

Projektmanagement muss nicht streng bürokratisch sein, sondern kann sich genauso gut auf den Familienalltag oder persönliche Pläne beziehen. Sobald Sie diese Perspektive einnehmen, wird Ihnen wahrscheinlich auffallen, dass das Sie schon längst ein Projektmanagement-Profi sind – und somit besser gegen das Hochstapler-Syndrom gewappnet sind als zuerst gedacht.

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Verwandeln Sie Zweifel in Selbstbewusstsein

Auch heute noch, also (viele) Jahre später, frage ich mich, wie anders alles bei meinem ersten Beruf gelaufen wäre, wenn ich nur fest an meine Fähigkeiten geglaubt hätte. Hätte ich mir meine Erfolge notiert, den Selbstzweifel verstummt und mich nicht mit anderen Menschen verglichen, hätte ich mein eigenes Potenzial erkannt. Durch logische Denkweisen und Anwendung meines Wissens, hätte ich die Kontrolle bewahrt, statt überfordert zu sein. Ich nehme es meinem jüngeren Selbst nicht übel, denn sie hat ihr Bestes gegeben – aber wenn sie nur früher erkannt hätte, wie viel Recht sie gehabt hätte, um das, was ihr zustand, zu kämpfen.

Das ist der Kern der Sache. Sie brauchen sich nicht zu verwandeln, um das Hochstapler-Syndrom zu schlagen, sondern müssen nur innehalten und das einsetzen, worüber Sie schon verfügen.

Also, sobald diese nörgelnde Stimme sich wieder bemerkbar macht, lassen Sie sich nicht abschrecken. Nutzen Sie die Gelegenheit, um sich an alle Ihre konkreten Fähigkeiten, vollendeten Leistungen und gesammelte Erfahrung zu erinnern. Übung macht den Meister und bald fällt es Ihnen leichter, auf Ihr Selbstbewusstsein, statt auf Ihre Zweifel, zu vertrauen.